Schwarz: Liebe Elisabeth, du gehst mit 31. Dezember 2021 in den Ruhestand. 33 Jahre hast du in den GGZ in unterschiedlichen Funktionen gearbeitet. Warum hast du dich für den Pflegeberuf entschieden?
Aufreiter: Das hat sich so ergeben. Ich bin ja gelernte Köchin und habe mich für eine Stelle in der Zentralküche der Stadt Graz beworben. Man sagte mir, dass eine Stelle als Köchin nicht frei sein, jedoch brauchen sie jemanden in der Pflege. So begann ich als Stationsgehilfin am 4. Jänner 1988 bei den GGZ.
Schwarz: Konnte man damals einfach so als Stationsgehilfin arbeiten?
Aufreiter: Nein, ich musste natürlich eine Ausbildung machen – aber das war direkt bei den GGZ möglich.
Schwarz: Welche Aufgaben hatte eine Stationsgehilfin?
Aufreiter: Heute würde man das Berufsbild als „Heimhelfer*in“ bezeichnen – aber trotzdem ist es nicht ganz vergleichbar. Wir hatten sehr viel zu tun und trotzdem (meist) gute Laune. Wir erledigten alle hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, wie Zimmer und Nebenräume putzen, Essen ausgeben (damals noch im „Schöpfsystem), mit den Patient*innen reden, sie beim Essen unterstützen, ...
Schwarz: Wann hast du dich dann weiter zur Pflegehelferin ausbilden lassen.
Aufreiter: Aufgrund der Vorfälle im Krankenhaus Lainz hat ja der Gesetzgeber beschlossen, dass das Personal besser ausgebildet werden muss. Die Ausbildung zur Pflegehelferin fand auch in den GGZ statt – 1993 habe ich dann die Prüfung abgelegt – ausgebildet haben mich Herr Dr. Varetzy und Frau Ursula Fruhmann. Damals wurde auch zum ersten Mal ein eigener Reinigungsdienst eingeführt. Die Pflege war körperlich sehr anstrengend, z. B. musste man die Kopfstützen noch händisch hochziehen.
Schwarz: Zu Beginn unseres Gespräches habe ich dich gefragt, welche fünf Eigenschaftswörter würdest du wählen, um dich kurz zu beschreiben? Geantwortet hast du mit: hilfsbereit – loyal – einfühlsam – kritisch – teamfähig (Teamplayer!) Haben diese Eigenschaften dir bei der täglichen Arbeit mit Patient*innen geholfen?
Aufreiter: Auf jeden Fall – ich bin sehr hilfsbereit und einfühlsam. Das braucht es, wenn dir ein Patient zum xten Mal die gleiche Geschichte erzählt oder wenn er Trost und Zuwendung braucht. Ich habe auch die erforderliche Ruhe und vor allem liebe ich es mit Menschen zu arbeiten. Das habe ich vom Gastgewerbe mitgebracht.
Schwarz: Welche Rahmenbedingungen sind noch wichtig für dich?
Aufreiter: Ein gutes Team – gefühlt würde ich behaupten, dass früher die Solidarität untereinander besser war – auch wenn es schon einmal emotional wurde – wir haben viel mehr im Team ausgesprochen und auch umgesetzt. Heute merkt man die Schnelllebigkeit, den Druck, die Hektik auch im Arbeitsalltag. Es ist so wichtig Zeit (!!) für den Patienten oder für den Bewohner zu haben. Hektische Mitarbeiter*innen sind da kontraproduktiv. Früher gab es auch nicht so viele unterschiedliche Berufsgruppen – da musste die Aufgaben bzw. das Abdecken der Bedürfnisse viel mehr ineinanderfließen. Zeit und Einfühlungsvermögen sind aber auch heute noch die wesentlichen Fundamente und die Kraft in der Pflege – leider oft nur mehr auf dem Papier.
Schwarz: Apropos Menschen, du hast dich ja nicht nur den Patient*innen gewidmet, sondern auch unseren Kolleg*innen. Du bist Vorsitzende des Dienststellenausschusses. Warum engagierst du dich für / in der Personalvertretung?
Aufreiter (lacht): Ja, das war interessant – ich war gar nicht im Dienst, da wurde herumgefragt, wer bei der Personalvertretung mitmachen wollte. Eine Kollegin hat dann gesagt: „Nehmts die „Groß“, die passt gut!“ Im Mai 1990 wurde ich bereits Vertrauensperson und übernahm den Vorsitz 1996, nachdem meine Vorgängerin, Frau Margit Knauß, leider viel zu früh verstorben ist.
Schwarz: 25 Jahre Personalvertretung in ihrer ganzen Vielfalt verlangen sicher viel Kraft. Welche Quellen nutzt du um aufzutanken?
Aufreiter: Ich kann mich sehr gut selbst motivieren. Ich höre zur Entspannung klassische Musik, ich wandere und reise gerne. Da kann ich voll abschalten und auftanken ………. und ich habe einen tollen Mann, der mich sehr unterstützt und mir auch hilft, mich abzugrenzen.
Schwarz: Ein Beispiel dazu?
Aufreiter: Menschen (Mitarbeiter) haben oft keine Hemmschwelle – die rufen auch am Samstag oder Sonntag an. Als das wirklich überhandgenommen hat, hat mein Mann zur mir gesagt: „Entweder du schaltest das Telefon jetzt aus oder ich schmeiße es vom Balkon runter!“ Ich habe es ausgeschalten und mir so meine freie Zeit zurückerobert.
Schwarz: Als Vorsitzende des Dienststellenausschusses musst du ja Gespräche mit Menschen in unterschiedlichsten Funktionen führen – vom vertraulichen 4-Augen-Gespräch bis hin zu großen dienstrechtlichen Verhandlungen. Welche Fähigkeiten braucht es da bzw. hast du?
Aufreiter: Ich habe hart gearbeitet und musste meinen Weg finden. Man muss sich Vertrauen und Handschlagsqualität ja erst erarbeiten und das ist mir gelungen. Man braucht einen Zugang zur Geschäftsführung, zu den Führungskräften und zu Kolleg*innen. Mir wurden auch Steine in den Weg gelegt – aber ich bin nicht gestolpert, sondern habe sie aus dem Weg geräumt.
Schwarz: Welche Themen sind der in der Personalvertretung sehr wichtig bzw. welche Meilensteine sind dir gelungen?
Aufreiter: Flexible (familienfreundliche) Arbeitszeiten und die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen sind mir sehr wichtig. Dazu gehört, dass z. B. Beamte und Vertragsbedienstete ihr Gehalt am 1. des Monats erhalten, Gehaltsverhandlungen, Nebengebühren und Dienstzulagen – aber auch die Umsicht bei allen Neubauten, die ab 2000 mit dem Geschäftsführer Dr. Hartinger realisiert wurden.
Arbeitnehmer*innenschutz, Gleichbehandlung, Stabsstelle für interne Krisenprävention und –intervention.
Stetige Erweiterung des Dienstpostenplanes, Ausbau bzw. Spezialisierung der Pflege Akutgeriatrie, Medizinische Geriatrie, Hospiz und vieles mehr.
Wichtig sind jedoch die persönlichen Gespräche! Wenn man zurückschaut, waren Führungskräfte früher viel dominanter und es herrschte teilweise ein wirklich rauer Ton. Heute schaut man schon viel mehr auf die Führungsqualität und wir haben viel mehr Möglichkeiten uns Hilfe zu holen (Coaching, Supervision).
Schwarz: Welche Entwicklungen oder Unterschiede gibt es noch innerhalb dieser 25 Jahre?
Aufreiter: Ich habe es schon kurz erwähnt – irgendwie „bröckelt“ der Zusammenhalt – die Geselligkeit. Wenn man sich trifft, dann immer mit den gleichen Personen. Das ist schade, weil man, z. B. bei Betriebsausflügen die Chance hätte, auch einmal Kolleg*innen aus anderen Bereichen kennenzulernen.
Schwarz: Hast du auch Vorbilder, an denen du dich orientierst?
Aufreiter: Konkrete Vorbilder fallen mir eigentlich keine ein – jedoch Menschen, mit denen ich sehr gerne zusammengearbeitet habe. So habe ich mit Frau Haas-Wippel und Herrn Dr. Stoiser an Pflegekonzepten und vielen anderen Themen (erste Stellenbeschreibung für die Pflege) gearbeitet. Wir haben sehr viel voneinander gelernt.
Schwarz: Wir haben schon kurz darüber gesprochen – es gibt ja auch das Leben abseits der GGZ – dafür hast du ja bald mehr Zeit. Wie wirst du es füllen?
Aufreiter (lacht noch einmal): Da fällt mir sicher viel ein. Ich liebe die Toskana, das gute italienische Essen, den Wein, die Geschichte, die Kultur. Die Toskana ist so groß, da gibt es noch viel zu sehen. Ich mag aber auch Südafrika, Griechenland und die Türkei --- und ich war schon immer ein Spanien-Fan. Ich besuchte einmal Teneriffa und bei einer Inselrundfahrt entdeckten wir die Insel La Gomera – wir fahren jährlich im Jänner dorthin (und in Zukunft vielleicht auch einmal länger). Die Zeit ist dort eine besondere, die Menschen, die Gastfreundschaft, auch das Essen und der Wein …. und das spanische Bier. Einfach großartig!
Schwarz: Liebe Elisabeth, was ist dir wichtig uns am Schluss dieses Gespräches noch zu sagen?
Aufreiter: Es ist mir wichtig und ich sage das auch in den (politischen) Gremien, in denen ich vertreten bin. Der Mensch braucht die Pflegenden. Wir brauchen unter anderem mehr Ausbildungsplätze, eine bessere Bezahlung, einen einheitlichen Personalschlüssel und einheitliche Rahmenbedingungen. Wir müssen auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. So wie es jetzt ist hätte ich Angst, z. B. in einem Pflegewohnheim zu vereinsamen, wenn sich nicht ändert!
Autorin:
Irene Schwarz
Stabsstelle Human Resources